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Ob Hurrikan, Erdbeben oder Überschwemmungen – nach einer Naturkatastrophe ist schnelle humanitäre Hilfe gefragt. Der Leipziger John-Henning Peper hat eine Wasseraufbereitungsanalage konzipiert, die im Krisenfall viele Vorteile bietet. Zusammen mit seinen Mitstreiter:innen werden er und das Projekt „Disaster Relief Systems“ seit gut zwei Jahren am SEPT Competence Center der Universität Leipzig von der Gründungsinitiative SMILE gecoacht. Vor kurzem präsentierte das Team einen Prototyp der Anlage auf der Interschutz, der Weltleitmesse für Rettungstechnik und Katastrophenschutz. Das positive Feedback vieler Hilfsorganisationen vor Ort beflügelt die Gruppe nun weiter.

Es war der 4. Oktober 2016, als der Hurrikan Matthew auf die Insel Haiti traf und mit Windgeschwindigkeiten von 230 Kilometern pro Stunde über Land zog. Mehr als 100 Menschen verloren ihr Leben, weite Teile der Insel wurden verwüstet, manche Städte unbewohnbar. Es waren Bilder, die John-Henning Peper auf eine Idee brachten. Der damals 24-jährige Student beobachtete im Fernsehen, wie US-Flugzeugträger erst einmal schweres Gerät nach Haiti bringen mussten, damit humanitäre Hilfe über den zerstörten Flughafen überhaupt anlaufen konnte. Peper ist selbst Feuerwehrmann. „Ich habe mich damals nach dem Hurrikan Matthew gefragt, warum die internationale humanitäre Hilfe nicht über die notwendige adäquate Ausrüstung verfügt. Warum gibt es nicht längst zum Beispiel Geräte wie Stromerzeuger oder Wasseraufbereitungsanlagen, die aus der Luft abgeworfen werden können? Dann würde die Hilfe bei den Menschen viel schneller ankommen“, sagt John-Henning Peper in der Rückschau.

Das erste Konzept kam nicht gut an

Diese Fragen ließen den Wirtschaftsingenieur nicht los. Schon während seines Studiums in Cottbus und Chemnitz tüftelte er an seinen Ideen und schrieb ein erstes Konzept, wie im Katastrophenfall schnell und effektiv Hilfe geleistet werden könnte. Das dachte er zumindest. Nach einem ersten Pitch in Chemnitz stellte er seine Ideen dem Technischen Hilfswerk vor. „Die haben mir mein Konzept damals um die Ohren gehauen. Alles sei viel zu teuer, die Geräte zu schwer“, erinnert sich Peper. Und eigentlich hätte das der Moment sein können, an dem der 29-Jährige alles hinschmeißt und seine Pläne verwirft. „Aber ich habe einfach zurückgefragt: Was braucht ihr dann? Wie könnte eine adäquate Ausrüstung aussehen, die man für humanitäre Organisationen bereitstellen könnte? Dann habe ich mein Konzept weiter verfeinert, weg von der eierlegenden Wollmilchsau hin zu einer spezielleren Anlage – in dem Fall eine Wasseraufbereitungsanlage, die modular aufgebaut ist und auf einem einheitlichen Standard basiert“, erzählt John-Henning Peper. Sein Produkt basiert auf dem SAS-Standard, dem Standardized Aid System, über das mobile Anlagen für unterschiedliche Zwecke koppelbar sind.

Das kann die Wasseraufbereitungsanlage made in Leipzig besser

Die Anlage bietet viele Vorteile gegenüber bestehenden Wasseraufbereitungsmaschinen. Das neue Gerät kann aus dem Flugzeug mit einem Fallschirm überall abgeworfen werden. Mit einem Gewicht von 130 Kilogramm kann sie von vier Personen zumindest ein stückweit getragen werden. Die Anlage funktioniert ohne elektronische Steuerung und ist autonom, das heißt sie benötigt lediglich Benzin für den Betrieb. Und der eigentliche Clou: Die Filter der Anlage reinigen sich selbst. Sie müssen also nicht ausgebaut und ausgetauscht werden. Zudem kann die Anlage überall auf der Welt vor Ort repariert werden, da viele Teile überall aufzutreiben seien. „Wenn zum Beispiel die Kette für den Antrieb reißt, dann kann die ganz einfach ersetzt werden, denn es handelt sich um eine ganz normale Moped-Kette“, erklärt Peper. Die Wasseraufbereitungsanlage kann also im Falle einer humanitären Katastrophe über dem Gebiet abgeworfen werden, eine Pumpe saugt das Wasser etwa aus einem Fluss an und drückt es durch den Filter. Sie reinigt so in einer Stunde 2 500 Liter Wasser, das macht am Tag 60 000 Liter. Je nach Bedarf von etwa drei Litern Trinkwasser pro Tag können mit einer Anlage bis zu 20 000 Menschen versorgt werden.

Gründungsinitiative SMILE unterstützt das Team

Der erste Prototyp ist fertig. Er ist das Produkt aus zweijähriger intensiver Arbeit eines nunmehr fünfköpfigen Teams. John-Henning Peper versammelte in Leipzig vier weitere Mitstreiter:innen um sich herum, die neben Kenntnissen im Maschinenbau auch Erfahrungen im Bereich Wirtschaft und Marketing mit einbrachten. Über das Teammitglied Frank Amankwah, der an der Universität Leipzig am SEPT Competence Center den Master-Studiengang „Small Enterprise Promotion and Training“ absolvierte, war schnell der Kontakt zur Gründungsinitiative SMILE hergestellt. „Ich habe dort vor gut zwei Jahren angefragt, ob sie uns unterstützen können und das hat dann schnell geklappt. Technisch waren wir ja schon gut aufgestellt, aber dank SMILE haben wir die internationale Perspektive und den Marktfokus bekommen. Ohne die Unterstützung würden wir heute anders da stehen. Wir könnten unser internationales Marktpotential nicht richtig einschätzen und wir hätten nicht das Netzwerk und die Kontakte in andere Länder“, fasst Projektleiter Peper zusammen.

  • "Viele Gründungsteams gehen nicht etwa am mangelnden Erfolg ihres Produkts unter, sondern weil es irgendwann menschlich nicht mehr passt."
    John-Henning Peper


„Disaster Relief Systems ist ein sehr dynamisches Team, das immer wieder neue Ideen hat und in einem Jahr gut weitergekommen ist. Wir haben in Gesprächen zu Beginn schnell festgestellt, dass das wirtschaftliche und internationale Profil gestärkt werden musste“, erinnert sich Christian Hauke, Gründercoach bei SMILE, der dem Projekt von Anfang an mit Rat und Tat zur Seite stand. Neben Räumlichkeiten und Infrastruktur erhielten sie dank der Anbindung an SMILE auch das EXIST-Gründungsstipendium. „Wir haben das Team während des Stipendiums vor allem bei der Entwicklung des Prototypen und beim Businessplan gefördert“, so Hauke. Die fünf wurden auch Teil der Gründungsklasse an der Universität Leipzig und durchliefen Coachings zu vielen relevanten Themen wie Bilanzierung, Rechtsschutz, Gründungsvorgang oder Kommunikation. „Gerade eine gute Unternehmenskommunikation ist sehr wichtig. Viele Gründungsteams gehen nicht etwa am mangelnden Erfolg ihres Produkts unter, sondern weil es irgendwann menschlich nicht mehr passt“, weiß Projektleiter Peper.

Nach einer Pilotphase wollen sie Gemeinden überall auf der Welt helfen

Zum Ende ihres EXIST-Gründungsstipendiums wartete ein echtes Highlight auf das Team: Sie konnten ihr Produkt Ende Juni 2022 auf der Interschutz, der Weltleitmesse für Rettungstechnik/Katastrophenschutz, vorstellen und bekamen von Hilfsorganisationen viel positives Feedback. Jetzt haben sie viele Termine in Deutschland und Österreich, um einzelnen Organisationen das Produkt im Einsatz vor Ort zu demonstrieren. „Wir werden jetzt eine ganze Reihe von Prototypen bauen. Ziel der nächsten eineinhalb Jahre ist es, die Anlage in einer Pilotphase an verschiedenen Orten zu testen: Funktioniert sie zum Beispiel bei 50 Grad und auch bei minus 15 Grad Celsius? Das sind Szenarien, die wir hier nur schwer simulieren können“, so Peper. Die große Ziel der fünf Mitglieder von Disaster Relief System ist es natürlich, dass die Wasseraufbereitungsanlage dann so schnell wie möglich in Katastrophenfällen zum Einsatz kommt. Dafür haben sie neben den weltweiten Hilfsorganisationen auch Gemeinden überall auf der Welt im Blick – denn so wäre die humanitäre Hilfe schon vor der nächsten Katastrophe vor Ort.