Ringvorlesung "Ökologie & Ökonomie" SS 2011
Ab dem 4.5.2011 jeden Mittwoch um 19:00 Uhr in den Räumen der Wirtschaftswissenschaftlichen-Fakultät (Grimmaische Straße 12) der Universität Leipzig.
Vortrag am 8. Juni 2011:
Prof. Dr. Erik Gawel: Umwelt, Moral und Ökonomie
In Deutschland herrscht ein besonderes, in Umfragen (und Wahlentscheidungen) messbares Umweltbewusstsein. Das tatsächliche Umweltverhalten bleibt weit dahinter zurück – ein Rätsel? Tatsächlich lässt sich dieser Scheinwiderspruch ökonomisch gut auflösen, wenn wir menschliches Verhalten betrachten, das auch Moraläußerungen zulässt. Der Wähler beauftragt grüne Parteien, kauft als Konsument aber lieber „billig“ und lässt träge seinen gewohnten Stromversorger liefern. Führt das zu Umweltskandalen, ist die Empörung über „andere“ umso größer.
Es ist offensichtlich: Moral spielt eine Rolle und sollte auch eine Rolle spielen. Der homo oeconomicus ist tatsächlich ein „moralsensibles“ Wesen. Doch kann das bereits einen nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt sichern?
Zum Schutz der Umwelt denken Juristen weithin „hierarchisch“ in staatlichen Anordnungen, Ökonomen hingegen in „Anreizen“, die wirtschaftliche Vorteile begründen sollen. Beide setzen auf extrinsische Impulse. Wo bleibt der intrinsische Antrieb, die Umwelt zu erhalten, der doch vorhanden zu sein scheint? Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsvisionen (globaler Klimaschutz, weltweit schonender Umgang mit Biodiversität, „grünes Wachstum“) bauen häufig auf Einsicht und Verhaltensumkehr auf. Kann das aber ausreichen?
Der Vortrag lädt ein zu einer Reise durch eine interdisziplinäre Problemlandschaft: Was bedeutet es, wenn wir den homo oeconomicus moralisch denken und handeln lassen? Welche Rolle kann Umweltmoral dann beim Schutz natürlicher Ressourcen spielen? Inwieweit lässt sich darauf eine staatliche Umweltpolitik aufbauen und wo ist Umweltmoral womöglich unverzichtbar? Stören möglicherweise sogar Anreize von außen die intrinsische Motivation zum Umwelterhalt? Umgekehrt ist zu fragen, inwieweit sich moralische Neigungen schon beim einzelnen Individuum überhaupt durchsetzen können – erst recht bei im Wettbewerb stehenden Unternehmen.
Im Ergebnis gelangen wir zu einem geläuterten Bild, bei dem Moral eine Rolle spielt und einiges leisten kann, aber die Umweltpolitik nicht auf moralische(re) Menschen, sondern auf Verhaltensbedingungen setzen sollte, um den Naturerhalt zu sichern. Die Verantwortung für die Umwelt liegt auch in komplexen Gesellschaften bei den Individuen, die diese Verantwortung in Konsum- und Produktionsentscheidungen spüren müssen, um „richtig“ zu handeln.