Die zunehmende Anzahl dezentraler Einspeise- und Eigenversorgungssysteme setzen Geschäftsmodelle klassischer Energieversorgungsunternehmen unter Druck. Dieser Trend und die energiewirtschaftlichen und -politischen Veränderungen erfordern die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle, die Vorteile für diverse partizipierende Akteure entlang der Wertschöpfungskette eröffnen. Das techno-ökonomische Optimisierungsframework IRPopt erlaubt solch eine integrierte Bewertung aus verschiedenen Akteursperspektiven.

Software: GAMS (Optimierungsmodell), Java (Middleware), Java Script (Frontend)

Modelltyp: Techno-oekonomisches Optimierungsmodell, Optimaler Energieflussdispatch

Einsatzgebiet: Bewertung von Geschäftsmodellen im kommunalen Bereich (Flexibilität, Dezentralität, Virtualität)

IRPopt: Integrated Resource Planning and Optimization

Erklärvideo zur Optimierungssoftware IRPopt

IRPopt: Integrated Resource Planning and Optimization

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Integrierte Ressourcen Planung und Optimierung

Hintergrund

Bedingt durch die Energiewende und die zunehmende Liberalisierung stehen Geschäftsmodelle klassischer Energieversorgungsunternehmen unter Druck. Einzelne Unternehmen haben sich zum Ziel gesetzt, ihr bestehendes Geschäftsmodell in Richtung des Angebots und Dienstleistung von  Energiemanagement weiterzuentwickeln. Geschäftsmodellinnovationen kommen jedoch oftmals nicht über die Planungsphase hinaus. Ein entscheidender Grund ist, dass innovative Geschäftsmodelle im kommunalen Umfeld einer Vielzahl von Einflussfaktoren gewachsen sein müssen, um eine nachhaltige Lösung für das Energiesystem darzustellen. Eine mögliche Bewertung wird unter anderem durch das bestehende Geschäftsportfolio, den technologischen Fortschritt, die beteiligten Akteure, den regulatorischen Rahmen und das vorliegende Marktumfeld beeinflusst. Aufgrund dieser Komplexität sowie der damit aufkommenden Wechselwirkungen von Alternativen kommt der ganzheitlichen Entwicklung von Geschäftsmodellen eine gewichtige Bedeutung zu. Eine Möglichkeit zur Unterstützung von Entscheidungsträgern stellen computergestützte Optimierungsmodelle dar. In diesem Zusammenhang weisen adäquate Modelle ein kohärentes Konzept auf, welches die theoretische Abbildung der entscheidenden Systemeigenschaften erlaubt. Die Zunahme dezentraler Einspeise- und Eigenversorgungssysteme steigert diese Notwendigkeit sogar, da Flexibilitäts- und Koordinationsaufwand der Geschäftsmodelle ansteigen. Die Veränderungen erfordern die Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen, die Vorteile für diverse partizipierende Akteure entlang der Wertschöpfungskette eröffnen, bei gleichzeitiger Berücksichtigung des wandelnden technischen und regulatorischen Marktumfeldes. Diesbezüglich vernachlässigen existierende Optimierungsmodelle wesentliche Modellierungsansätze:

  • Explizite Integration der Akteure in kommunalen Energiesystemen:

Die zu erwartende Dezentralisierung kann für die Energieversorger auch vorteilhaft sein, wenn die unterschiedlichen Interessen und Anforderungen der einzelnen Akteure in Einklang gebracht werden, die nicht mehr nur konsumieren, sondern auch produzieren. Die damit verbundenen Risiken sind unter Heranziehen der kommerziellen Vertragsbeziehungen aus Akteursperspektive entlang der Wertschöpfungskette zu bewerten. Dabei sollte das Augenmerk nicht nur auf der bekannten Investition von Endkunden in eigene dezentrale Lösungen liegen (zum Beispiel durch Hauseigentümer oder Gewerbeunternehmer), sondern ebenso die gemeinsame Investition in nachhaltige Lösungen (z.B. durch Bürgerbeteiligungsgesellschaften). Neue Geschäftsmodelle sind somit unter den Gesichtspunkten unterschiedlicher Akteursrollen, wie beispielsweise des Energieversorgers sowie Industrie-, Gewerbe- und Haushaltskunden zu bewerten. Sofern die beteiligten Akteure im Gesamten profitieren, sind diese Akteure eher bereit an den innovativen Geschäftsmodellen und somit an nachhaltigen Lösungen zu partizipieren.

  • Umfassende Einbindung innovativer Geschäftsmodellmöglichkeiten:

Die Trends im Rahmen der Energiewende fordern eine umfassende Neuausrichtung der Geschäftstätigkeiten von Energieversorgern. Die Bewertung der Geschäftsmodelle sollte dabei in Zukunft integriert erfolgen, d.h. unterschiedliche rechtliche Unsicherheiten hinsichtlich zum Beispiel der Arbeitspreis- und der Leistungspreissystematik müssen gemeinsam betrachtet werden. Dabei sollten auch neue Kosten- und Erlösmodelle variabel gestaltbar sein. Weiterhin sollte in diesem Zusammenhang die Bewertung einzelner Geschäftsmodelle nicht alleine erfolgen, sondern immer im Rahmen der bestehenden Geschäftssituation und ebenso unter Heranziehung weiterer geplanter Geschäftsmodelle. Nur in diesem Fall können mögliche Synergie- und Konkurrenzeffekte identifiziert werden. Unter anderem kann die Idee der Bereitstellung von Speicherlösungen und das gleichzeitige Ausrollen von Wärmepumpen einen verminderten Erlöseffekt für die Speicherlösung darstellen. Neue Modellierungsansätze sollten somit die Möglichkeit schaffen, innovative Geschäftsmodelle (Direktvermarktung, Mieterstrom, Quartierspeicher, Lastverschiebung, Elektromobilität, Virtuelle Kraftwerke…) sowie deren marktbezogene Unsicherheiten (Rechtsrahmen, Kosten- und Erlösmodelle, Spotmarktarbitrage und Reservemarkterlöse) flexibel zu modellieren.

Modellierungsziel

Das techno-ökonomische Optimierungsframework IRPopt (Integrierte Ressourcen Planung und Optimierung) zielt auf die integrierte Bewertung innovativer Geschäftsmodelle unter Berücksichtigung wandelnder energiewirtschaftlichen und -politischer Rahmenbedingungen ab. Während bestehende Optimierungsmodelle die unterschiedlichen Rollen sowie den daraus resultierenden Einfluss von verschiedenen Marktakteuren vernachlässigen, erlaubt IRPopt die explizite Einbeziehung der Akteure zur Bewertung der Geschäftsmodelle aus unterschiedlichen Akteursperspektiven.

Ansatz

Die Modellstruktur von IRPopt vereint einerseits unterschiedliche Ansätze bewährter kommunaler, energiewirtschaftlicher Modelle, aber erweitert diese auch um neue Modellierungsansätze im Rahmen von sechs Modellierungsebenen: 1. Akteursrollen, 2. Komponenteneigenschaften, 3. Komponentenbeziehungen, 4. Koordinationssystematik, 5. Marktprinzipien sowie 6. Umweltbedingungen. Während ein bewährter graphenbasierter Ansatz die akkurate Abbildung des sektor- und technologieübergreifenden Energiesystems ermöglicht, erlaubt ein darauf aufbauender graphenbasierter Ansatz die explizite Integration des akteursbezogenen Zusammenspiels. Die konzeptionelle Umsetzung erfolgt somit durch die Modellierung von Technologiekomponenten auf einer Modellebene und der Akteure auf einer weiteren Modellebene. Die anschließenden Definitionen von Vertragsbeziehungen und Flussrichtungen bewerkstelligen die erforderliche Verknüpfung innerhalb und zwischen den Ebenen. Daneben bietet eine Auswahl an Modellierungsansätzen die realistische Abbildung von Marktprinzipien hinsichtlich Dezentralität, Virtualität und Flexibilität. Im Zusammenspiel mit der generischen Optimierungssystematik unterstützt das gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodell IRPopt die flexible Modellierung und Bewertung von Geschäftsmodellen unter Einbeziehung der Rahmenbedingungen des Marktes sowie der Freiheitsgrade der Akteure mit Hilfe eines Multi-Level Ansatzes.

Somit ermöglicht IRPopt die endogene Bestimmung und iterative Optimierung von Teilsystemen aus verschiedenen Akteursperspektiven. Weiterhin erlaubt die Trennung der ökonomischen und technischen Ebene die Modellierung von neuartigen Geschäftsmodellen. Außerdem ermöglicht die die integrierte Optimierung unter Heranziehung der Energieflüsse, der Leistungsmessung und der Betriebszustände ebenso einen tiefergehenden Einblick in die Bewertung dieser Geschäftsmodelle.

Die Implementierung der fachlichen Module erfolgte auf Basis der Modellierungssprach GAMS/CPLEX (General Algebraic Modeling System), die eine Lösung gemischt-ganzzahliger Probleme in hoher zeitlicher Auflösung mit einer hinreichenden Performanz ermöglicht. Um langfristige Einsetzbarkeit von IRPopt zu gewährleisten wurde ebenso Wert auf die Qualitätsmerkmale Benutzerfreundlichkeit, Kompatibilität, und Skalierbarkeit gelegt. Hierzu wurde das Energiesystemmodell in eine Web-Anwendung eingebettet, die als klassische Client-Server-Architektur bestehend aus einem Web-Frontend (Client) und einem Backend (Server) realisiert wurde. Das Frontend repräsentiert die Benutzungsoberfläche und ermöglicht dem Anwender durch eine Szenario- und Parameterverwaltung die Simulation zu steuern. Das Backend realisiert die Parametrisierung der fachlichen Modelle und lenkt die Datenhaltung sowie die Dateneingabe und -ausgabe. Die Kommunikation zwischen Client- und Server-Komponente wird über gängige Internettechniken realisiert.

Nutzen

Zu Demonstrationszwecken wurde IRPopt unter anderem hinsichtlich der Geschäftsmodelle Lastverschiebung und Quartierspeicher angewandt. Die modellbasierte Flexibilitätsbewertung erfolgt im Rahmen unterschiedlicher Szenarien aus Geschäftsfeld- und Haushaltskundensicht. Die Optimierungsergebnisse des Geschäftsmodells Lastverschiebung zeigen, dass im Falle von sehr dynamischen Tarifmodellen mit einem geringen ökonomischen Mehrwert zu rechnen ist, wenn beide Akteursgruppen profitieren möchten. Die Zeitdauer und die Intensität der Lastverschiebung orientieren sich jeweils an der praktischen Umsetzbarkeit durch die Haushalte. Im Geschäftsmodell Quartierspeicher ist ein ökonomischer Erfolg gemäß den Optimierungsergebnissen nur bei Berücksichtigung der geforderten rechtlichen Abgabenordnung sowie bei optimaler Speicherausnutzung durch beide Akteursgruppen möglich. Diesbezüglich wirkt sich auch die gleichzeitige Auswahlmöglichkeit unterschiedlicher Flexibilitätsoptionen negativ auf das Profitabilitätsergebnis aus. Die Anwendungsfälle demonstrieren vor allem die Modellierungsmöglichkeiten des vorgestellten Optimierungsmodells. Darüber hinaus unterstreichen die Ergebnisse auch den Nutzen des entwickelten Optimierungsansatzes.

Eindrücke aus der Modellierung

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Das Bild zeigt die Nutzeroberfläche des Programms, in dem manuell eine Systemübersicht mit den Komponenten Erzeuger, Netz, Markt, Last und Speicher, und Elementflüssen für Strom, Wärme, Gas und Biomasse erstellt werden kann. Innerhalb des so erstellten Systems kann das Optimierungswerkzeug Berechnungen anstellen.
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Schematisch-mathematische Darstellung der Konfiguration eines Energieprozess- und eine Akteurskoordinationsgraphen.
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Die Grafik stellt vier Teilmodelle dar: Akteure und Prozesse, Prozessbeziehungen, Systemkoordination und Marktprinzipien.
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Die Grafik zeigt eine schematische Übersicht des Modells IRPopt und dessen Inputs aus verschiedenen Aggregationsleveln und Zeithorizonten. Während IRPopt selbst den Infrastrukturbetreibenden detailliert abbildet, bezieht es kurz- und langfristige Informationen aus unterschiedlichen Strommarktmodellen (MICOES-Reserve, MICOES-Europe, LICOES-Europe), und kann kurzfristige und langfristige Geschäftsmodelländerungen (Lastverschiebung, Community-Speicher, regionales Direktmarketing) bewerten.

Modellnutzende und -entwickelnde

 Philipp Lerch

Philipp Lerch

Wiss. Mitarbeiter

Institutsgebäude
Grimmaische Straße 12, Raum I 430
04109 Leipzig

Telefon: +49 341 97-33521

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Karl Specht

Wiss. Mitarbeiter

Institutsgebäude
Grimmaische Straße 12, Raum I 430
04109 Leipzig

Telefon: +49 341 97-33529

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Dr. David Georg Reichelt

Wiss. Mitarbeiter

Abteilung Forschung und Entwicklung
Wünschmanns Hof
Dittrichring 18-20, Raum 1.10
04109 Leipzig

Telefon: +49 341 97-33436

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